Meine Kochbücher und ich

von Matthias Beilein

 

Als ich vor Urzeiten meine Ausbildung anfing, hatte ich noch reichlich naive Vorstellungen vom Buchhandel. Zum Beispiel habe ich damals geglaubt, dass eine Buchhandlung vor allem Bücher verkauft. Und nicht nur das: Ich habe geglaubt, das Hauptgeschäft des Buchhandels bestünde im Vertrieb von so genannter Belletristik, was im übrigen die meisten glauben, die nicht im Buchhandel arbeiten, obwohl die es ja gleichzeitig sind, die all die anderen Bücher kaufen.

 

Ich kann mich noch an meine Enttäuschung erinnern, als ich feststellte, dass mein Ausbildungsbetrieb eine reine Fachbuchhandlung war. Wie gesagt, ich war schon sehr naiv. Und niemals hätte ich mir damals in dieser trüben, in jeder Hinsicht Illusionen vertreibenden Zeit vorstellen können, dass es mir einmal Spaß machen würde, die Warengruppen Technik und Naturwissenschaften mit Leidenschaft zu betreuen. Aber doch: Noch im ersten Jahr meiner Ausbildung hatte ich den Dubbel fast so lieb gewonnen wie Hölderlin. Bald wusste ich auch, dass diejenigen, die sich den Beton-Kalender zulegen, das nicht deswegen tun, weil sie sonst keine Möglichkeit haben, ihre Termine im Blick zu behalten, und dass ich Kunden, die mich nach einem Stahlschlüssel fragen, nicht in den Baumarkt schicken darf.

 

Ich habe mich also ausgesöhnt mit diesen Warengruppen, obwohl sie nichts mit meinem persönlichen Interesse an Büchern zu tun haben. Auch nicht-identifikatorisches Verkaufen kann genugtuend sein. Trotzdem sind mir bis heute bestimmte buchhändlerische Warengruppen so fremd geblieben, dass ich Beratungsgesprächen auf diesem Terrain gerne aus dem Weg gegangen bin: zum Beispiel Kochbücher.

 

Ich besitze insgesamt drei Kochbücher. Eines heißt Italienisch kochen und war das Geschenk einer Vertreterin. Ich habe bis jetzt nur das Pesto-Rezept daraus ausprobiert und festgestellt, dass meine eigene Variante (so viel Basilikum und so wenig Pecorino wie möglich) nicht nur bei mir besser ankommt. Aber die Bilder gefallen mir wirklich gut, auch gegen die Rezepte ist an sich nichts zu sagen, aber wenn ich dann lese „Pizza Quattro Stagioni. Zubereitungszeit etwa 2 Stunden“, frage ich mich, wann ich jemals zwei Stunden Zeit haben werde, um mir eine Pizza Vier Jahreszeiten zu backen.

 

Das andere Kochbuch heißt Richtig fressen und stammt von Jürgen Tarrach. Das habe ich mir selber gekauft (Stichwort: Identifikatorisches Kaufen). Darin findet man lustige Rezepte wie „Pasta post Reanimation“ oder „Alpine Kohlsuppe“, die jedoch nicht halb so komisch sind wie die Texte dazwischen. Ein Skandal, dass es nicht mehr lieferbar ist.

 

Und dann habe ich noch Meine Küche und ich, verfasst von den Damen Liselotte Nold und Hilde Lehmann, erschienen 1954 im Laetare Verlag zu Nürnberg. Dieses Buch lieh mir meine Mutter, als ich zu Hause ausgezogen bin. Man findet in diesem kostbaren Kleinod grundsolide Rezepte für Brotsuppe oder Pfannkuchen, aber auch Exotisches wie „Ofenguck“, „Tomatenscheiterhaufen“ oder „Falsche Spiegeleier“. Unbezahlbar ist das Buch aber wegen seiner Weisheiten, die der jungen Hausfrau zwischen den Rezepten vermittelt werden: „Schnell spült, wer gleich spült“ oder „Kaffee ist die Wohltat für überanstrengte und bekümmerte Menschen.“ Oder auch so etwas: „Um 5 oder 6 Uhr, wenn mein Mann heimkommt, darf kein Trubel sein. Ich hüte mich, von Arbeit und Ärger etwas zu sagen. In einem Vortrag hat ein Arzt den Rat gegeben, man sollte einem abgespannten Mann erst eine halbe Stunde Ruhezeit auf dem Sofa gönnen, ehe das Familienleben auf ihn einstürmt. So bereite ich ihm mit Kissen, Decke und Zeitung diese Liegestatt vor. Nach einer halben Stunde kommt zu allermeist ein freundlicher, hilfsbereiter und gesprächiger Mann hinter der Zeitung hervor.“ Man findet Wörter wie „Nährmittel“, „Erbsenauspellen“ oder „Mietwaschküche“, und wenn von „innerer Sicherheit“ die Rede ist, dann geht es nicht um Terrorismus, sondern um die Selbstzufriedenheit der Hausfrau. Auch die Werbung in diesem Buch verdient, zitiert zu werden. Die Firma Alete wirbt für ihre Produkte mit der rhetorischen Frage „Woran erkennt man das Gedeihen eines Kindes?“ und die Firma Kraft („Das ist etwas für unsere Männer!“) weist auf etwas hin, das ein wenig in Vergessenheit geraten ist: „Das Jahr 1937 hat für alle, die gerne schmackhaft essen, besondere Bedeutung erlangt. Es brachte uns die Aufnahme der sogenannten ‚Käsezubereitung’ in das deutsche Lebensmittelgesetz. In diesem Jahr nämlich wurde in Deutschland zum ersten Mal Velveta auf den Markt gebracht – Kraft’s Velveta mit dem Vollgehalt der Milch.“ Dass wir das vergessen konnten.

 


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