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Laurence Sterne und sein Verleger Robert Dodsley

von Michael Buchmann

Laurence Sterne
Laurence Sterne

Das neunte Kapitel aus dem Buch Leben und Meinungen von Tristram Shandy Gentleman von Laurence Sterne liest sich wie die Ausschreibung einer Widmung an potentielle Gönner: „[...] wie ich vorschlage, [die Widmung] möglichst gut zu verwerten, nämlich in dem sie gerade zum öffentlichen Verkauf ausgesetzt wird, was ich hiermit tue.“ Damit hintertreibt der Erzähler die gängige Annahme der Leser, eine Widmung beruhe auf herausragenden Vorzügen der jeweiligen Gönner. Er decouvriert so die gängige heimliche Dedikationspraxis und grenzt sich mit seiner Satire moralisch dagegen ab: „[...] ich für meine Person hasse es, nur wegen ein paar Guineen in einem dunklen Laden zu handeln und zu schachern, und habe mich deshalb entschlossen, gleich von Anfang an mit den großen Herren in dieser Sache offen und redlich zu verhandeln, und zu versuchen, ob ich so nicht am besten wegkomme.“ Die 40 Guineen, die der Erzähler vorgeblich verlangt, solle der künftige Mäzen dem Verleger Sternes, Robert Dodsley, aushändigen. Natürlich werde danach in einer neuen Auflage erstens die Ausschreibung gestrichen werden und die Verdienste des Mäzens eingefügt werden, um so zu einer herkömmlichen Widmung zu kommen: „[...] bei der nächsten Auflage werde ich dann Sorge tragen, daß dieses Kapitel ausgemerzt wird und Euer Gnaden Titel, Auszeichnungen, Wappen und gute Taten zu Anfang des vorstehenden Kapitels zu figurieren kommen, [...]“.

 

Diese Parodie ist ein Spiel mit den literarischen Regeln und der Fiktionalität, denn der Autor dachte zu keiner Zeit daran, dieses Ausschreibungsverfahren durchzuführen. So trägt der erste Teilband stattdessen eine ernst gemeinte Widmung an William Pitt. Sterne erhielt von ihm auch kein Honorar dafür, aber die Wahl seiner Person war wohl kalkuliert, denn Pitt war ein äußerst populärer und einflussreicher Politiker. So sollte sich seine Prominenz und Macht auf die Bekanntheit des Buchs positiv auswirken. Man darf also nicht annehmen, dass der scheinbar rein moralische Standpunkt, von dem aus Sterne das Widmungswesen parodiert, auch die Haltung seinem eigenen Text gegenüber bestimmte.

 

Ein weiteres kokettes Spiel mit der Fiktionalität betrifft neben der Widmung einen weiteren textinhärenten Bezug zur Ökonomie: die Fortsetzungsbände im Erfolgsfall. Im 14. Kapitel des ersten Buches des Tristram Shandy steht scheinbar ironisch: "[...] und alljährlich 2 Bände meines Lebens zu schreiben und herauszugeben - was ich dann, wenn man mich ruhig gehen läßt und ich einen annehmbaren Vertrag mit meinem Buchhändler abschließen kann, bis an mein Lebensende so fortsetzen werde." Abgesehen von der Übertreibung des Lebensendes und der Figur des Shandys, findet sich eine analoge Aussage des realen Autors an den Verleger Dodsley: "Wenn mein Buch gut geht und den Anklang findet, den unsere Kritiker erwarten, bin ich erbötig, in Zukunft keine derartigen Umstände mehr zu machen und mit Ihnen wegen der folgenden Bände jeweils dann zu verhandeln, wenn sie erscheinen, das heißt alle sechs Monate." Es handelt sich also vielmehr um eine taktisch eingesetzte doppelte Ironie, indem einer fiktiven Figur die taktischen Mittel zum ökonomischen Erfolg des realen Autors in den Mund gelegt werden. Das durchbrechen der Konventionen wirkt komisch, die Aussage lässt sich nicht dem realen Autor direkt zuordnen. Sterne sollte Recht behalten, als er 1759 in einem weiteren Brief an seinen Verleger Dodsley schrieb: „Das Buch wird ein Geschäft; […]“, und er tat auch weiterhin sein möglichstes dafür.

 

Denn Sterne war auch erfinderisch, was Promotionaktionen für sein Buch betraf. So formulierte er einen Brief, den er an seine Geliebte Catherine Fourmantel schickte, damit diese ihn abschreiben und unter ihrem Namen an den prominenten Schauspieler David Garrick schicken sollte, um für das Buch zu werben. Und über seinen Bekannten Richard Berenger ließ er William Hogarth darum bitten, Stiche für die Frontispize anzufertigen. Außerdem veröffentlichte er nach dem sich abzeichnenden Erfolg weitere Teilbände, die er dann auch schon im Text selbst ankündigte. Der Erfolg des Tristram Shandy zog aber auch unweigerlich nach sich, dass ab 1760 Raubdrucke auf dem Markt auftauchten. Sterne machte aus der Not kurzerhand eine Tugend, indem er alle weiteren originalen Doppelbände signierte. Dass diese Bände nun signiert waren, bewarb er durch eine Anzeige im London Chronicle.

 

Robert Dodsley, Sternes späterer Verleger, verfasste zuvor selbst eine Satire, die auf den Literaturbetrieb und das Kaufverhalten im allgemeinen abzielt: das Drama The Toy-Shop. Der Protagonist ist ein Zyniker, der seinen Kunden deren Fehler anhand der gewünschten Ware vorhält. Überhaupt hält er das, wonach die Kunden streben, für unbedeutend: „Men read none but trifling Authors, pursue none but trifling Amusements, and contend for none but trifling Opinions.“ Die Belanglosigkeit seiner Ware überträgt er dann auf das gesamte menschliche Streben: „Surely, the World is a great Toy-shop, and all its inhabitants run mad for Rattles.“ Eine Kundin weist ihn dann recht nüchtern darauf hin, dass sie nicht nach den Qualitäten der Ware, sondern nach deren Preis gefragt habe; eine Unterscheidung, die insbesondere in der Buchbranche selten erkannt wird. Ebenso wie sein späterer Autor Sterne war Dodsley recht umtriebig im Netzwerken, und schickte sein Stück an Alexander Pope, und dieser empfahl es wiederum John Rich, dem Theaterdirektor von Covent Garden. Das Stück wurde aufgeführt und ein voller Erfolg. Es war so erfolgreich, dass nicht nur Raubdrucke, sondern auch Gerüchte aufkamen, nicht Dodsley sondern Pope selbst sei der eigentliche Autor. So findet sich in späteren Auflagen das angebliche Bittschreiben von Dodsley an Pope und dessen angebliche Antwort.

 

Der eigentliche Erfolg seines Stückes war vor allem der, dass es Dodsley die Bekanntschaft mit Alexander Pope verschaffte, denn Pope lieh ihm einhundert Pfund, um den Tully's Head Bookstore zu gründen. Dodsley konvertierte so vom Autor zum Verleger und im Laufe vieler Jahrzehnte verlegte er dort neben Laurence Sterne Autoren wie Daniel Defoe, Samuel Johnson, Samuel Richardson, Edmund Burke und viele weitere. Der Erfolg der ersten Teilbände des Tristram Shandy veranlasste Sterne allerdings dazu, seinen Verleger Dodsley zu verlassen. Allerdings musste er nun für die Druckkosten selbst aufkommen. Das dürfte wohl der Grund dafür sein, dass die Widmung an einen Lord Spencer, die dem fünften Teilband des Tristram Shandy voransteht, nicht satirisch sondern servil ausfiel.

 

Literatur

  • Dodsley, Robert: The Toy-Shop, 8. Aufl., London 1763.
  • Nink, Rudolf: Literatur und Typographie. Wort-Bild-Synthesen in der englischen Prosa des 16. bis 20. Jahrhunderts, Wiesbaden 1993, S. 61-68.
  • Solomon, Harry M.: The Rise of Robert Dodsley. Creating the New Age of Print, Illinois 1996.
  • Sterne, Laurence: Leben und Meinungen von Tristram Shandy Gentleman, Frankfurt am Main/Leipzig 1982.
  • Sterne, Laurence: Briefe und Dokumente, München 1965.
  • Thomson, David: Laurence Sterne. Eine Biographie, Frankfurt am Main 1991.

 


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