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Laurence Sterne: Leben und Meinungen von Tristram Shandy Gentleman

1. Buch, Widmung

 

Dem Hochwohlgeborenen

Herrn Pitt,

 

SIR,

Niemals hat ein armer allzeit fertiger Dedikator weniger Hoffnung auf seine Dedikation gegründet, als ich auf diese hier; denn ich schreibe sie in einem Nebenwinkel des Königreichs, und unter einem einsamen Strohdache, woselbst ich mein Leben in beständiger Bemühung zubringe, mich gegen die kränklichen Zufälle einer schlechten Gesundheit und andere Übel des Lebens - mit Scherz - einzuzäunen; denn ich bin fest überzeugt, daß es, so oft der Mensch lächelt, - und um soviel mehr, wenn er lacht, - dieses Fragment des Lebens um Etwas vergrößert. Ich ersuche Sie ganz ergebenst, Sir, erweisen Sie diesem Buche die Ehre, und nehmen Sie es - (nicht in Ihren Schutz - es muß sich selbst beschützen, sondern) mit aufs Land. Erfahre ich hernach nur einmal, daß es Ihnen ein Lächeln abgewonnen, oder kann ich mutmaßen, Sie haben einen Augenblick Ihrer Schmerzen darüber vergessen, - so werde ich mich so glücklich dünken, als ein Staatsminister; - vielleicht weit glücklicher als irgend einer, (einen Einzigen ausgenommen) von dem ich jemals gelesen oder gehört habe.

 

Ich bin

Hochzuverehrender Herr,

(und was Ihnen noch mehr Ehre macht)

allgemein geliebter Herr,

Ihr freiwilliger Freund, und ergebenster

Mituntertan

DER AUTOR

 

 

[...]

 

 

1. Buch, 8. Kapitel

 

De gustibus non est disputandum, zu deutsch: gegen Steckenpferde läßt sich nichts sagen; ich selbst thue es selten; ich könnte es auch nicht wohl mit Anstand thun, und wenn ich ein noch so großer Feind derselben wäre; denn da ich zu gewissen Zeiten und Mondwechseln zugleich Geiger und Maler bin, je nach dem mich die Fliege sticht, so muß ich Ihnen sagen, daß ich selbst ein Paar solche Paßgänger im Stalle habe, auf denen ich abwechselungsweise (es ist mir auch gleichgiltig ob man es weiß oder nicht) ausreite und frische Luft schöpfe. Uebrigens muß ich zu meiner Schande gestehen, daß ich manchmal längere Ritte darauf mache, als ein weiser Mann für Recht halten mag. Offen gestanden bin ich aber eben kein weiser Mann, und überdies eine so unwichtige Persönlichkeit, daß es nicht viel macht, was ich auch thue; ich erhitze mich daher auch selten wegen so etwas; und es stört meine Ruhe durchaus nicht, wenn ich die großen Herren und Würdenträger, die ich hiernach aufzähle, nämlich die Herren von A, B, C, D, E, F, G, H, J, K, L, M, N, O, P, Q und soweiter, in einer Reihe auf ihren verschiedenen Pferdchen sehe, die Einen mit langen Steigbügeln in einem ernsten, maßvollen Schritt, die Andern im Gegentheil die Kniee bis ans Kinn hinaufgezogen, mit Peitschen im Maul, darauf los hauend und fort polternd, wie eben so viel scheckige Teufel, die auf Hypotheken reiten, und wie wenn Verschiedene derselben entschlossen wären, den Hals zu brechen. Um so besser, sage ich zu mir selbst, denn falls das Schlimmste geschehen sollte, so muß sich die Welt eben bemühen, auch ohne sie auszukommen; im Uebrigen aber, – nun Gott gebe ihnen einen glücklichen Fortgang! – lassen wir sie ohne Widerrede reiten; denn würden diese Herrschaften heute Nacht abgeworfen, so ist zehen gegen Eines zu wetten, daß Viele von ihnen noch vor Morgenfrühe um die Hälfte schlechter beritten wären.

 

Keiner von diesen Umständen wird daher meine Ruhe stören, Allein es gibt allerdings einen Umstand, der mich, ich gestehe es, außer Fassung bringt: wenn ich nämlich sehe, wie Einer, der zu großen Handlungen geboren ist, und was ihm noch mehr Ehre bringt, dessen Natur ihn zu guten Handlungen treibt, wenn ich sehe, wie ein Mann wie Sie selbst, gnädiger Herr, dessen Grundsätze und Sitten so rein und edel sind wie sein Blut und den eben deshalb diese schlechte Welt keinen Augenblick missen kann; wenn ich sehe, wie ein Solcher, gnädiger Herr, und sei es auch nur eine Minute länger reitet, als ihm meine Liebe zu meinem Vaterlande gestatten kann und mein Interesse an seinem eigenen Ruhm es wünscht, dann gnädiger Herr, hört meine Philosophie auf und ich schicke in der ersten Hitze einer ehrlichen Ungeduld das Steckenpferd mit Allem was daran hängt zum Teufel.

 

Gnädiger Herr!

Ich will dies als eine Widmung angesehen wissen, unerachtet sie nach den 3 Hauptrichtungen Inhalt, Form und Art etwas sonderbar dastehen mag; ich bitte also, Sie möchten sie als solche annehmen und mir erlauben, Ihnen dieselbe in verehrungsvollster Demuth zu Füßen zu legen – wenn Sie gerade darauf stehen, was ja ganz bei Ihnen steht – somit, gnädiger Herr, so oft sich eine Gelegenheit dazu bietet, und ich setze hinzu, und zu den besten Zwecken.

 

Ich habe die Ehre zu sein,

mein gnädiger Herr,

Euer Gnaden gehorsamster,

und ergebenster

und untertänigster Diener

Tristram Shandy.

 

 

1. Buch, 9. Kapitel

 

Ich erkläre feierlich vor der ganzen Welt, daß die obige Widmung keinem Fürsten, Prälaten, Papst oder Monarchen – Herzog, Marquis, Graf, Vicomte oder Baron dieses oder irgend eines anderen Reiches in der Christenheit gilt. Auch ist sie noch nicht ausgeboten, noch irgend einer großen oder kleinen Persönlichkeit öffentlich oder privatim, direct oder indirect angeboten worden; es ist vielmehr ganz ehrlich eine ächte, noch keiner Menschenseele anprobirte Jungfern-Dedication.

 

Ich bin in diesem Punkte deshalb so ausführlich, weil ich jeden Einspruch oder Einwurf beseitigen möchte, der aus der Art und Weise entspringen könnte, wie ich vorschlage, dieselbe möglichst gut zu verwerthen, nämlich in dem sie gerade zu dem öffentlichen Verkauf ausgesetzt wird, was ich hiemit thue.

 

Ein jeder Schriftsteller hat einen ihm eigenthümlichen Weg, um seine Sachen an den Mann zu bringen, ich für meine Person hasse es, nur wegen ein Paar Guineen in einem dunkeln Laden zu handeln und zu schachern, und habe mich deshalb entschlossen, gleich von Anfang an mit den großen Herren in dieser Sache offen und redlich zu verhandeln, und zu versuchen, ob ich so nicht am besten wegkomme.

 

Wenn daher ein Herzog, Marquis, Graf, Vicomte oder Baron in Seiner Majestät Reichen lebt, der eine nette, artige Widmung gerade brauchen kann und dem die obige paßt (denn beiläufig gesagt, wenn sie ihm nicht wenigstens einigermaßen paßt, so lasse ich sie gar nicht ab), so steht sie ihm für 40 Guineen zu Diensten; was gewiß 20 Guineen weniger ist als mir ein Mann von Genius eigentlich dafür bieten dürfte.

 

Wenn Sie sie genau prüfen, gnädiger Herr, so werden Sie finden, daß es keineswegs eine solche Schmiererei ist, wie manche andere Dedicationen. Die Idee ist wie Sie sehen, gut, das Colorit klar, die Zeichnung correct; oder wenn ich mehr als Mann der Wissenschaft spreche, und meine Arbeit mit dem zwanzigtheiligen Maßstab des Malers messe, so dürfen wir, glaube ich. gnädiger Herr, den Umriß mit 12 ansetzen, die Composition mit 9, das Colorit mit 6, den Ausdruck mit 13½ und die Zeichnung – nun, gnädiger Herr, wenn ich meine eigene Zeichnung recht verstehe, und wenn man für ganz vollkommene Zeichnung 20 setzen darf – so denke ich, dürfte sie nicht weit von 19 sein. Ueberdies ist eine gewisse Haltung darin; und die dunkeln Pinselstriche am Steckenpferd (eine secundäre Figur und eine Art Hintergrund für das Ganze) geben den Hauptlichtern an ihrer eigenen Gestalt mehr Kraft und lassen sie herrlich hervortreten; und schließlich ist in dem ganzen Ensemble ein gewisser origineller Zug.

 

Haben Sie die Güte, lieber gnädiger Herr, die fragliche Summe in die Hand des Herrn Dodsley [Fußnote] Sterne's Verleger. , zu Gunsten des Verfassers auszahlen zu lassen; bei der nächsten Auflage werde ich dann Sorge tragen, daß dieses Kapitel ausgemerzt wird und Euer Gnaden Titel, Auszeichnungen, Wappen und gute Thaten zu Anfang des vorstehenden Kapitels zu figuriren kommen, welches dann von den Worten De gustibus non est disputandum an, nebst Allem was sich in diesem Buch auf Steckenpferde bezieht, aber sonst nichts, Ihnen, gnädiger Herr, gewidmet bleibt. – Das Uebrige widme ich dem Mond, der doch von allen denkbaren Gönnern und Gönnerinnen die größte Macht besitzt, um mein Buch in Gang zu bringen und die Welt wie toll darnach greifen zu lassen.

 

Glanzhelle Göttin!

 

Wenn du nicht gerade zu viel mit den Angelegenheiten von Candide und Fräulein Kunigunde zu thun hast, so nimm auch diejenigen Tristram Shandy's unter deinen Schutz.

 

 

1. Buch, 14. Kapitel

 

[...]  Diese unvorhergesehen Aufenthalte, von denen ich, aufrichtig gestanden, noch keine Ahnung hatte, als ich mich auf den Weg machte, - die aber, wie ich jetzt überzeugt bin, beim Weitergehen eher wachsen als abnehmen werden, haben mir einen Wink gegeben, den ich entschlossen bin zu beachten - nämlich - mich nicht zu übereilen - sondern in aller Muße vorwärtszuschreiten, und alljährlich 2 Bände meines Lebens zu schreiben und herauszugeben - was ich dann, wenn man mich ruhig gehen läßt und ich einen annehmbaren Vertrag mit meinem Buchhändler abschließen kann, bis an mein Lebensende so fortsetzen werde.

 

 

5. Buch, Widmung

 

An den Hochzuverehrenden

John

Lord Viscount Spencer

 

MYLORD,

Ich bitte untertänig um Erlaubnis, Ihnen diese zwei Bände überreichen zu dürfen; sie sind das Beste, was meine Talente bei so schlechter Gesundheit wie der meinigen hervorbringen konnten: - hätte die Vorsehung mir von beidem mehr geschenkt, so wären diese Bände eine angemessenere Gabe für Euer Lordschaft gewesen.

Ich bitte Euer Lordschaft um Verzeihung, wenn ich zur gleichen Zeit, da ich Ihnen dieses Werk widme, auch Lady SPENCER einschließe, indem ich mir die Freiheit nehme, ihr die Geschichte Le Fevers zuzueignen; dafür kann ich, wenn ich mich auf die Auskunft meines Herzens verlassen darf, keinen anderen Beweggrund anführen als den, daß es eine menschliche Geschichte ist.

Ich bin, Mylord

Euer Lordschaft

ergebenster

und untertänigster Diener

LAUR. STERNE

 


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