Walther von der Vogelweide: Sangsprüche

Frauenkritik [L 70,15]
Dû solt eine rede vermîden,
frouwe, daz gezimet den dînen zühten wol.
spræchest dûz, ich woltez nîden,
daz die bœsen sprechent, sô man lônen sol:
'het er sælde, ich tete im guot'.
er ist selbe unsælic, der daz gerne sprichetunde
niemer der gelîche tuot.


Sumerlaten-Lied [L 72,37-73,5]
Hœret wunder wie mir sî geschehen
von mîn selbes arebeit:
mich enwil ein wîb niht angesehen,
die brâht ich in ir werdekeit,
daz ír der muot sô hôhe stât.
jâ enwéiz si niht, swenne ich mîn singen lâze, daz ir lop zergât?

Jâ hêrre, waz si flüeche lîden sol,
swenne ích nû lâze mînen sanc!
álle die sí nû lobent, daz weiz ich wol,
die scheltent danne ân mînen danc.
tûsent herze wurden frô
von ir gnâden, des si lîhte engeltent, scheide ich mich von ir alsô.


Preislied [L 56,14-56,22]
Ír sult sprechen 'willekomen',
dér iuch mære bringet, daz bin ich!
allez daz ir habet vernomen,
daz ist gar ein wint, nû frâget mich.
ích wil aber miete:
wirt mîn lôn iht guot,
ich gesage iuch lîhte, daz iuch sanfte tuot.
séhet, waz mán mir êren biete.

Ich wil tiutschen frouwen sagen
solchiu mære, daz si deste baz
al der werlte suln behagen.
âne grôze miete tuon ich daz:
ze rîcheme lône
sint si mir ze hêr.
sô bin ich gefüege und bíte si níhtes mêr,
wán daz si mich grüezen schône.


Ottenschelte [L 26,23]
Ich hân hêrn Otten triuwe, er wélle mich noch rîchen,
wie genám aber ér mîn dienest ie sô trügelîchen?
ald waz bestêt ze lônennè des künic Friderîchen?
mîn forderunge ist ûf in kleiner danne ein bône,
ez sî sô vil ob er der alten sprüche wære frô.
ein vater lêrte wîlent sînen sun alsô:
'sun, diene manne bœstem daz dir manne beste lône'.
hêr Otte, ich binz der sun, ir sît der bœste man,
wand ich sô rechte bœsen hêrren nie gewan.
hêr künic, ir sît der beste, sît iuch got des lônes gan.


Otto-Friedrich-Vergleich [L 26,33]
Ich wolte hêrn Otten milte naĉh der lenge mezzen,
dô hât ich mich an der mâze ein teil vergezzen:
wær ér sô milt als lanc, er hete tugende vil besezzen.
vil schiere maz ich ábe den lîp nâch sîner êre,
dô wart ér vil gar ze kurz als ein verschrôten werk,
miltes muotes minre vil danne éin getwerc,
und ist doch von den jâren, daz er niht enwahset mêre.
dô ich dem künige brâhte daz mez, wie ér ûf schôz!
sîn junger lîp wart beide michel unde grôz.
nû seht waz er noch wahse, erst ietze über in wol risen grôz.


Philippschelte [L 19,17]
Philippes künig die nâhe spehenden zîhent dich,
dun sîst niht dankes milte, des bedunket mich,
wie dû dâ mite verliesest michels mêre.
dû möhtest gerner dankes geben tûsent pfunt
danne drîzec tûsent âne danc. dir ist niht kunt,
wie man mit gâbe erwirbet prîs und êre.
denke án den milten Salatîn
der jach, daz küniges hende dürkel solten sîn,
sô wurden si erforht und ouch geminnet.
gedénke an den künig von Engellant,
wie tiure man den lôste dur sîne milten hant.
ein schâde ist gúot, der zwêne frumen gewinnet.


Lobforderung [L 105,27]
Der Mîssenære solde
mir wandeln, ob er wolde.
mînen dienst lâz ich állez varn,
niwan mîn lob aleine.
daz in mîn lob iht meine,
daz kan ich schône wol bewarn.
lób ich in, sô lob er mich,
des andern alles des wil ich
in minneclîch erlâzen.
sîn lob daz muoz ouch mir gezemen,
oder ich wil mînez her wider nemen
ze hove und án der strâzen,
sô ich nû genuoge
wárte sîner vuoge.


Undank des Meißners [L 106,3]
Ich hân dem Mîssenære
gefüeget manic mære,
baz dánne er nû gedenke mîn.
waz sol diu rede beschœnet:
möht ich in hân gekrœnet,
diu krône wære hiute sîn.
het er mir dô gelônet baz,
ich diente im aber etewaz,
noch kan ich schaden vertrîben.
er ist aber sô gefüege niht,
daz er mir biete wandels reht:
dâ lâzen wirz belîben.
waz vil verdirbet,
des man niht enwirbet!


Lehensbitte an Friedrich [L 28,1]
Von Rôme voget, von Pülle künic, lât iuch erbarmen,
daz mán bî rîcher kunst mich lât álsus armen.
gérne wolte ich, möhte ez sîn, bî eigenem fiur erwarmen.
ahî, wie ich danne sunge von den bluomen als ich wîlent sanc!
swelh schœne wîp mir gebe danne ir habe danc,
der lieze ich lilien unde rôsen ûz ir wengel schînen.
kúme ich spâte und rîte frúo: gast, wê dir, wê!
sô mac der wirt wol singen von dem grüenen klê.
die nôt bedenkent, milter künic, daz iuwer nôt zergê.


Lehensdank [L 28,31]
Ich hân mîn lêhen, al die werlt, ich hân mîn lêhen!
nû enfürhte ich niht den hornung an die zêhen
únd wil alle bœse hêrren dester minre flêhen.
der edel künic, der milte künic hât mich berâten,
daz ich den sumer luft und in dem winter hitze hân.
mînen nâhgebûren dunke ich verre baz getân,
si sehent mich niht mêr an in butzen wîs als si wîlent tâten.
ich bin ze lange arm gewésen âne mînen danc,
ich was sô volle scheltens, daz mîn atem stanc.
daz hât der künic gemachet reine und dár zuo mînen sanc.


Weltklage [L 182,1-183,1]
Werlt, wie lange sol ich gern?
dû weist wol, wes unde wâ.
dû muost mîner fröide enpern,
mir enwerde buoz aldâ.
gêt heim, hiest gesungen!
wirde ich hie verdrungen,
sô besliuze ich mîne zungen!

Ich hân dir gedienet sô,
Werlt, daz ich michs niht enschame.
swie dû mich mit lône machest frô,
dir geschiht vil lîhte alsame.
ich wólt ouch ein vil kleine:
weist dû, waz ich meine?
wider liebe liep, daz eine.

 


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