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Das Schlechteste, was man für Geld machen kann

von Michael Buchmann

Henry James
Henry James

Der Autor Henry James schrieb aus Paris Briefe für die New York Tribune. Diese Arbeit betrachtete er mehr als Broterwerb denn als künstlerische Selbstverwirklichung. An den verantwortlichen Redakteur Whitelaw Reid sandte er folgende Zeilen: „Diese Briefe sind das Schlechteste, was ich für Geld machen kann.“ Er entschuldigte sich kokettierend nicht etwa deshalb, weil die Briefe schlecht waren, sondern weil er nicht noch schlechter schreiben konnte, so schlecht, wie Reid es seiner Ansicht nach von ihm erwartete. Zwanzig Jahre später, am 26.01.1895, notierte Henry James in seinem Tagebuch eines Schriftstellers: „Die Vorstellung von dem armen Mann, dem Künstler, dem Schriftsteller – der sein Leben lang – wenn auch nur für seinen Lebensunterhalt – etwas Vulgäres zu schreiben, sich dem ordinären Massengeschmack anzupassen sucht: Steckt darin nicht womöglich eine kleine Geschichte, falls man sie mit einer Handlung beleben kann; […]“.

 

Diesen Plan setzte er vor dem Hintergrund seiner persönlichen Erfahrung um und schrieb so die autobiographisch gefärbte, wenn auch deutlich überzeichnete Erzählung The Next Time. In dieser Erzählung ringt der anspruchsvolle aber glücklose Schriftsteller Ralph Limbert um Erfolg. Gerade ein bürgerliches Leben aufgebaut, benötigt er dringend Geld und möchte daher ein gut verkäufliches Buch schreiben. Ein Vorhaben, das er sich zunächst zu einfach vorstellt: „A success was as prosaic as a good dinner: there was nothing more to be said about it than that you had it.“ Obwohl er sich als Autor mit Anspruch versteht, ist er bereit, sich den vermeintlich niedrigen Anforderungen des Marktes und dadurch auch dem der Redakteure anzupassen und ein „schlechtes“ Buch abzuliefern: „Verily it was a good thing to have a dose of the wisdom of the serpent. If it had to be journalism – well, it was journalism. If he had to be 'chatty' – well, he was chatty.“ Diese rein instrumentelle Haltung wird aber immer stärker auf die Probe gestellt, weil die Texte immer eingängiger werden sollen: „They want journalism. They want tremendous trash.“ Die Formel für Erfolg, die er anfangs für offenkundig gehalten hatte, entzieht sich ihm immer mehr, auch wenn er sie prinzipiell noch für entschlüssel- und anwendbar hält: „What is 'success' anyhow? […] When it sells it sells – it brings money like potatoes or beer. […] I want to sell. […] I must study the way. […] I must cultivate the market – it's a science like another.“ Ralph Limbert geht in dieser Erzählung schließlich an den niedrigen Erwartungen des Literaturbetriebs zu Grunde, die er trotz aller seiner Anstrengungen nicht unterbieten kann.

 

Henry James verarbeitete in seinen Erzählungen noch einen weiteren Aspekt des Literaturbetriebs, nämlich die Ansicht, man könne Menschen zu Schriftstellern richtiggehend erziehen. In seinem Tagebuch findet sich die Notiz: „Ich hörte vor einiger Zeit, Anthony Trollope verfechte die Theorie, daß ein Knabe wie zu jedem anderen Beruf zum Schriftsteller erzogen werden könne. Er erzog seinen eigenen Sohn nach diesem Grundsatz – oder versuchte es doch – und der junge Mann wurde Schafzüchter in Australien. […] Da kam ich, wie schon früher, auf den Gedanken, daß man daraus eine kleine Erzählung machen könnte.“ Man hört hier den Elitarismus des Selbstverständnisses der Schriftsteller heraus; der Vater Trollopes war – nebenbei bemerkt – nach einer gescheiterten Anwaltskarriere Farmer geworden. Jedenfalls verarbeitete Henry James diese Anekdote mit einigen bezeichnenden Veränderungen zu einer kleinen Erzählung, die er Greville Fane nannte. Der Elternteil wird bei ihm durch eine recht beschränkte aber einigermaßen erfolgreiche Trivialschriftstellerin repräsentiert: „Sie ist voll heimlicher Romantik und naïvetés – […] Ihre Liebe zur Pracht, zur Aristokratie, zu den oberen Zehntausend – der Reichtum und die Schönheit, womit sie ihre Romanfiguren bedenkt etc.“ Natürlich lässt der Autor diese Figur einer Trivialschriftstellerin in ihrem Vorhaben scheitern, ihre beiden Kinder mit äffischer Liebe zu talentierteren Autoren zu erziehen. Zur Beschreibung ihres Todes wählt der Erzähler einen wenig schmeichelhaften Vergleich: „She lay silent for ever upstairs – as dead as an unsuccessful book, […]“.

 

Auch wenn die reale Grundlage für diese Erzählung aus dem Umfeld von Henry James stammte, gab es dort auch genügend Beispiele für erfolgreiche Erziehung zum Künstlerischen: nicht nur dass Trollopes Mutter, Frances Trollope, eine erfolgreiche Schriftstellerin war; Henry James hatte zum Beispiel auch Umgang mit seinem Schriftstellerkollegen George du Maurier. Er war Vater des Schauspielers und Intendanten Gerald du Maurier und Großvater nicht nur der Davies Boys, die James Matthew Barrie zu Peter Pan inspirierten, sondern auch Großvater der Erfolgsautorin Daphne du Maurier.

 

Literatur

  • Domaniecki, Hildegard: Zum Problem literarischer Ökonomie. Henry James Erzählungen zwischen Markt und Kunst, Stuttgart 1974.
  • James, Henry: Greville Fane.
  • James: Henry: The Next Time.
  • James, Henry: Tagebuch eines Schriftstellers, Köln/Berlin 1965.

 


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