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Sach-Buch-Wissenschaft

von Michael Buchmann

Detlef Bluhm

Von Autoren, Büchern & Piraten. Kleine Geschichte der Buchkultur
Artemis & Winkler 2009

 

Diese „Kleine Geschichte der Buchkultur“ versucht auf gut 250 Seiten die gesamte Geschichte des Buches darzustellen und dazu noch eine Diskussion der aktuellen Probleme der Branche zu liefern. Dieses Ziel erreicht Bluhm durch geschickten Einsatz der für ein Sachbuch nicht nur legitimen sondern auch notwendigen Mittel. Und er setzt diese Mittel so gekonnt ein, dass man an diesem Buch die Merkmale eines Sachbuchs geradezu ablesen kann.

Das erste Mittel ist, Beispiele gezielt einzusetzten: Homer, der sich gegen Plagiatoren zur Wehr setzt, römische Gelehrte, die sich jeden Morgen in ihrer Buchhandlung treffen, um sich über Neuigkeiten zu informieren, usw. Das ist zugleich konkret und anschaulich; während bei schlechten Sachbüchern das Beispiel zur beliebigen Anekdote verkommt, ist es hier paradigmatisch: ein Beispiel erklärt hier ein ganzes Problemfeld wie das des Plagiats bzw. Urheberrechts einer Epoche. Das ist eben der didaktische Vorzug des Sachbuchs vor der Wissenschaft: das Beispiel in der Wissenschaft kommt nicht allein vor, sondern geht im Verbund mit einer möglichst erschöpfenden und damit leider oft ermüdenden Beispiel-Armada einher. Ein gutes Sachbuch kann sich auf ein Beispiel und zwar auf ein möglichst aussagekräftiges beschränken.

Dasselbe gilt übrigens für die zum Teil farbigen Grafiken, die Artemis & Winkler dem Buch glücklicherweise spendiert hat. Es ist ein elementarer Unterschied, ob man etwa nur über den „Lesestein“ im 13. Jahrhundert – den Vorläufer unserer Lupe und Brille – liest, oder ob man dessen Wirkung durch die Abbildung einer aufgeschlagenen Buchseite mit darauf liegendem Lesestein selbst betrachten kann: Nachvollziehbarkeit durch Anschaulichkeit statt abstrakter Explikation ist ebenfalls ein Merkmal gelungener Sachbücher.

 

Ebenso wie eine gelungene Auswahl und Mischung von gesichertem Wissen sind pointierte Analogien oder interessante Anregungen zu finden. Dankenswerterweise beginnt diese Darstellung nicht erst wie einige seiner überflüssigen Vorgänger mit Gutenberg, sondern wie bereits angedeutet, mit der Antike. Natürlich stellt sie auch das zum Teil schon zu Klischees verfestigte Wissen dar, wie zum Beispiel das „Überwintern“ der Buchkultur im Mittelalter in den Klöstern, zeigt aber zugleich die Kehrseite, nämlich die damit einhergehende Monopolisierung des Wissens und deren Missbrauch, zum Beispiel durch Zensur, indem man unliebsamen oder vermeintlich unwichtigen Text auf Pergament einfach auslöschte und überschrieb.

Ein letztes und sehr wichtiges Merkmal des Sachbuchs: das vermittelte Wissen bildet keinen Selbstzweck, sondern wird in instrumenteller Absicht konsumiert – sieht man einmal von der aussterbenden Spezies ab, die sich den Kanon des Bildungsbürgertums aus vermeintlichem Selbstzweck aneignen möchte; aber selbst hier besteht die Absicht in der Anhäufung von symbolischem Kapital. Bei Bluhm wird Wissen fruchtbar durch den starken Bezug seines Buches zu aktuellen Problemen. Das ganze letzte Fünftel des Buches widmet sich der Diskussion von Folgeproblemen der Digitalisierung wie Google Settlement, Open Access usw. Das ist umso erfreulicher, als hier nicht ein selbsternannter sondern tatsächlicher Kenner der Branche schreibt. So verbinden sich in diesem Buch nicht nur flüssiger Schreibstil und Ausrichtung auf die Zielgruppe, sondern auch Sachkenntnis. Was braucht ein gutes Sachbuch mehr?

 


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