TexturenGeschichte

 

Mathias Etenhueber: [Wer in der Poesie nicht will ein Pfuscher bleiben, ...]

Sed Vatem egregium, cui non fit, publica vena &c.

Hunc, qualem nequeo monstrare, & sentio tantum,

Anxietate carens animus facit. &c. Juvenal. Satyr. 7ma.

 

Wer in der Poesie nicht will ein Pfuscher bleiben,

Und diese schöne Kunst nach ihrer Würde treiben,

Muß wohl gesattelt seyn, man brauchet viel darzu.

Zum Tanz gehöret mehr als ein Paar neue Schuh;

Es muß ihn die Natur in ihren Model drücken,

Was andre schwizen macht, kömmt ihm von freyen Stücken:

Der Zeug wird ausgesucht, wie wenn man was bestellt,

Weil nicht ein jeder Thon zum Dichter=Kasten hält.

Es muß ein heller Tag in dem Kalender stehen,

Da darf kein Wirbelwind im Reich der Lüfte gehen,

Es darf nicht wölkicht seyn, viel minder finstre Nacht,

Weil man Poeten nur am hellen Tage macht,

Und dieses nicht umsonst; ein heiteres Gestirne

Theilt seinen Einfluß mit dem dichtenden Gehirne.

Ein immer träumendes, und schläfriges Gemüth,

Hat zu der Poesie gar wenig appetit.

Bey diesen, so zur Welt im Wassermann gebohren,

Ist alle Müh, und Fleiß zur Poesie verlohren.

Denn wenn ein Dichter nicht, frey munter, feurig schreibt,

So wird er klüger thun, wenn er zu Hause bleibt.

So will ich denn getrost, Herr! vor Dein Antliz treten,

Und Dir zu wissen thun das Elend der Poeten.

Wie viel sie Jammer drückt bey aller Singe=Lust,

Ist wenigen bekannt; ich rede von der Brust,

Mein baiersches Gemüth kann nicht den Fuchsschwanz streichen,

Sucht keines Menschen Gunst durch Schön=Thun zuerschleichen,

Es gebt gerade zu, schreibt, was das Herze denkt,

Wenn man es hundertmal mit Gall, und Eßig tränkt.

Das Amt der Poesie besteht nicht im Schmarozen,

Will ungebunden seyn, es will die Laster trozen,

Und ihre Armuth wirft der allgemeinen Ruh

Durch Scherze voller Ernst ein stilles Wachsthum zu.

Sie ist kein Märchen=Kram die Einfalt zu berücken,

Kein süßes Höllen=Gift die Wahrheit zu ersticken,

Sie schmückt die Weisheit aus, und giebt der Tugend Zoll,

Zu welcher sie das Volk in Bildern führen soll;

Ihr Kiel entdeckt mit Recht der Laster Grund, und Schande,

Und offenbart den Ruhm der Redlichen im Lande.

Kommt dann, und wann ein Kiel, der frey herausbekennt,

Den Plason einen Filz, Dorinden kröpfig nennt,

Der Laster Uebermuth in Reim, und Scherz erzehlet,

Sich selber nicht verschont, und bloß die Boßheit quälet,

So bricht der tolle Schwarm mit Schwerd, und Feuer loß,

Wie wenn ein Wespen=Nest den angebrachten Stoß

Durch schnellen Ausfall rächt, und die gereizte Schaaren

Mit Stacheln, Gift, und Zorn der Hand entgegen fahren.

Ein Weichling, dessen Stand viel grobe Sünden deckt,

Und dessen Wiz, und Geld in reichen Kleidern steckt,

Collin, der Waysen drückt, und Wittwen=Gut verschlinget,

Und mit Gewalt, und List viel Gärten an sich bringet,

Spricht freylich unser Kunst nicht das geringste Wort,

Und jagt die Dichter selbst samt ihrem Plunder fort.

Poeten, giebt man vor, sind meistens nasse Brüder,

Und dennoch leugnet man die Wahrheit ihrer Lieder,

Wie aber reimt sich das mit dem, was Sirach spricht?

Ein trunknes Herze weis von keiner Lüge nicht.

Wie manche Lüge wird, selbst Dichtern angedichtet,

Wenn ihr zu freyer Mund den Lauf der Zeiten richtet?

Der kann nichts ohne Rausch, der schreibt nichts ohne Bier,

Dem wird die Hauptwach oft zu seinem Nachtquartier,

Bald muß der gute Freund in einem Thurme liegen,

Bald hohlt er seinen Witz aus vollgegoßnen Krügen.

Auch wenn er wirklich schreibt für das gemeine Wohl,

So kritisirt man ihn, so wird die Schmähsucht toll,

Und wünscht ihm insgemein mehr Elend auf den Nacken,

Als Holl= und Engelland für heuer Stockfisch packen,

Und weiß sie sonsten nichts, so wirft ein grober Thor

Ihm seine Dürftigkeit mit losen Worten vor.

Ihr Dichter aller Welt, wenn eure Süßigkeiten,

Euch wieder Angst und Noth kein Gegengift bereiten,

So packt den Plunder ein, das treflichste Gedicht

Füllt ohne Mutter=Blech die leeren Därme nicht:

Die Versekrämerey, und was mit ihr verbunden,

Bringt lothweiß Unterhalt, und Noth zu tausend Pfunden,

Was nützt euch alle Kunst, wenn es nicht ist erlaubt,

Daß ihr die arge Welt, so wie euch selbe, schraubt.

Diß, leider! fühl' ich auch; wenn Feind, und Stürme raßen,

So muß ich meinem Kiel zur Retirade blaßen,

Soll sein ein Kettenhund, der wenn er Diebe merkt,

In seiner Hütte schweigt, und ihre Boßheit stärkt.

Schreib ich von ohngefehr: die Zeit ist hart, und theuer,

Trusill ein Menschen=Feind, da ist im Dache Feuer,

Da wird die Poesie zerlästert, und verflucht,

Und in des Pöbels Mund der Dichter aufgesucht,

Die schwarze Schreiberey, ich weiß, nicht wo, zu büßen,

Da hat der neue Thurm das Maul schon aufgerißen.

Wann die Gerechtigkeit zu Zeiten Stäbe bricht,

Und stellt die Sünder vor dem peinlichen Gericht,

Um sie nach Landsgebrauch zum Sterben auszuführen,

So darf wohl die Moral die Kinder=Tromel rühren;

Fällt etwas großes vor, und sieht es tragisch aus,

Wär meine Ernde gut: da heißt es: bleib zu Haus,

Laß Kiel, und Presse ruhn, schweig still, und sey zu frieden!

Sonst wirst du dich nur selbst zum armen Sünder schmieden.

Was Wunder ist es denn, wenn die verwünschte Noth

Mir nach dem Herze greift? heißt dieses nicht das Brod

Bey gar so schwerer Zeit recht von dem Maul gehauen,

Und mir den Nahrungs=Weg auf alle Weiß verbauen?

Ich darf nicht, wo ich kann, ich kann nicht, wo ich darf,

Hier ist der Stof zu schlecht, dort das Verbot zu scharf.

Darum hab ich schon oft die Poesie verschworen,

Als eine Bettel=Kunst, und bloße Kost der Ohren.

Ihr Mütter! seyd mir gut, wenn hier mein Mund gesteht,

Wie oft es mir, und ihm nach Art der Weiber geht,

Die, wenn sie durch die Nacht das erstemal gebähren,

Den Mann mit sammt der Lust vor Weh, und Angst verschwören,

Und doch so bald sie nur die liebe Bürde sehn,

Dem neuen Erdegast ein fettes Mäulchen drehn.

Dieß weiß Calliope, daß, wenn ich sie verstossen,

Bald wieder Allianz ward zwischen uns geschlossen.

Weil ich denn abermal mit ihr versöhnet bin,

So sprach ich voller Trost: Komm her, sez an, schreib hin,

Und rede diß vor mich:

 

Fürst! dessen Geist, und Minen,

Auch selbst den Gratien zum Anmuths=Spiegel dienen,

Du Joseph unsrer Zeit, Du aller Erde Lust,

Heil, Vater, Menschen=Freund, Trost, Titus, und August,

Laß meines Freundes Noth Dir in das Herze dringen,

Denn Niemand kann, wie Du ihm Schutz, und Labsal bringen.

Füll, wie der Wittwe dort, sein leeres Oel=Geschirr!

Des Winters kalte Faust klopft wieder an die Thür,

Laß seine Dürftigkeit mit Holz, und Kleid versorgen,

Und mach ihn einmal frey von allen Nahrungs=Sorgen,

Er geht aus Armuth schlecht, er schreibt vor Kummer matt,

Indem sich nirgends zeigt ein Freund, ein Mecenat,

Er hätte zwar noch mehr, ja ungleich mehr vonnöthen

Doch dißmal wirst Du nur, um Holz, und Kleid gebeten,

Wirst Du mit dieser Gnad sein krankes Herz erfreun,

So wird er Dir darum auf ewig dankbar seyn,

Und Deinen Namen einst durch ein geläutert Schreiben,

Wie Du es längst verdient, in Gold, und Marmor treiben.

 

Euer Churfürstl. Durchl.

 

Unterthänigster gehorsamster

Mathias Etenhueber,

Churfürstl. Hofpoet.

 

 

Durchlauchtigster Regent!

Dein armer Hofpoet

Mathias Etenhueber

 

Läßt abermal an Dich

Hier diese Bittschrift gehn

 

Du wollest ihn,

Als wie vorhin

 

Mit Tölzer Garnison

Acht Regimenter stark

Und einem Kleid versehn.



Kommentar schreiben

Kommentare: 0