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Roland Barthes (links) und Guy Cuevas– Von Jiemth (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Roland Barthes (links) und Guy Cuevas– Von Jiemth (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Eco und Barthes

von Matthias Agethen

 

Roland Barthes radikaler Text der „Tod des Autors“ transportiert die These, ein Text sei zu verstehen als ein „Gewebe von Zitaten“1, welches sich völlig von seinem Autor ablöst und ein Eigenleben führt. Dieser Gedanke findet sich in ähnlicher Form auch bei Umberto Eco: Dieser konstatiert, der Text habe „sich verselbständigt“ (287). Das bedeutet das gleiche wie bei Barthes: Der Text ist die bestimmende Konstante, Barthes lässt den Autor „tot“ sein, Eco lässt ihn „schweigen“ (287). Ecos Text-Begriff stimmt also im Kern mit dem von Barthes überein. Eco folgt Barthes in dem Gedanken, Texte seien nicht auf eine semantische Legitimation ihrer Autoren2 angewiesen.

Dieser Gedanke der Loslösung des Textsinns und der Textbedeutung vom Erzeuger eines Textes stammt also von Barthes und nicht von Eco. Ecos Theorie stellt sich somit nicht als eigenständig oder originell dar, vielmehr als eklektizistisch. Eco folgt dem von Barthes eingeschlagenen theoretischen Weg des unbedeutenden und machtlosen Autors: Bei Eco muss der „empirische Autor [...] schweigen.“ (287) D.h. der empirische Autor ist auch bei Eco „tot“, er schweigt. Doch scheint Eco die dadurch entstandene Leerstelle nicht ganz dem Leser überlassen zu wollen, entsprechend der Forderung von Barthes, dass „die Geburt des Lesers“ „zu bezahlen [sei] mit dem Tod des Autors.“3 Der Leser soll – laut Barthes – also die alleinige Deutungsmacht über den Text erhalten, dies jedoch vor dem Hintergrund, dass Texte „nur entwirrt, nicht entziffert werden“4 könnten. Barthes bietet aber keine Institution an, die die Leerstelle des „toten“ Autors füllen könnte. Eco umgeht dieses Problem einer ‚autorlosen’ Schrift, indem er das Wirken eines exemplarischen Autors annimmt, welcher identisch sei mit der Textintention. Hierbei kann also noch (irgend-)eine Form von Sinn und Bedeutung gedacht werden: Gute Interpretationen könnten einem theoretisch vorhandenen Sinn – dem exemplarischen Autor und der Textintention – unter Nachvollzug der Textstrategie auf die Spur kommen. Barthes hingegen leugnet diese Möglichkeit, bei ihm bilden Texte „unentwegt Sinn, aber nur, um ihn wieder aufzulösen.“5 Sinn ist nicht mehr greifbar, nicht mehr verfügbar und: „Eine Fixierung des Sinns zu verweigern, heißt letztlich, Gott und seine Hypostasen [...] abzuweisen.“6 Genau an diesem Punkt wird die Inkonsequenz von Ecos These sichtbar. Beide Theorien scheiden sich von einander. Dadurch, dass Eco Barthes in diesem entscheidenden Punkt – der prinzipiellen Negation eines fixierbaren Sinns – nicht folgen kann, gewinnt sein exemplarischer Autor eben jene Fähigkeit zur Fixierung von Sinn, wird doch wieder zum Herrscher über Sinn und Bedeutung des Textes, obwohl Eco gerade dies mit seiner (bei Barthes entliehenen) These der Verselbständigung und Eigendynamik der Sprache widerlegen wollte. Eco muss deshalb – erneut nicht originell – zurückgreifen auf ein anfechtbares und eigentlich schon überwundenes Prinzip von Autorschaft: Auf das Prinzip des schöpferischen Genie-Autors.

 

Literatur

 

Barthes, Roland: Der Tod des Autors, übers. von Matias Martinez, in: Texte zur Theorie der Autorschaft, hrsg. v. Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martinez und Simone Winko, Stuttgart 2000, S. 185-193.

 

Doyle, Arthur Conan: Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Roman, übers. v. Klaus Degering. Düsseldorf 2003.

 

Eco, Umberto: Der Name der Rose. Roman, übers. v. Burkhart Kroeber, München 1986.

 

Eco, Umberto: Das Foucaultsche Pendel. Roman, übers. v. Burkhart Kroeber, München 1992.

 

Eco, Umberto: Zwischen Autor und Text, in: Texte zur Theorie der Autorschaft, hrsg. v. Fotis Jannidis u.a., Stuttgart 2000, S. 279-294.

 

Schmidt, Jochen: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750 – 1945. Bd. 1: Von der Aufklärung bis zum Idealismus. 2., durchges. Aufl., Darmstadt 1988.

 

1 Barthes, Der Tod des Autors, S. 190.

2 Barthes spricht nicht mehr von einem Autor, sondern bloß noch von einem Schreiber [scripteur] (vgl. Barthes, S. 189)

3 Barthes, S. 193.

4 Ebd., S. 191.

5 Ebd., S. 191.

6 Ebd., S. 191.

 

Mit diesem Text ist die Eco-Serie von Matthias Agethen abgeschlossen.

 

Der Autor studiert Germanistik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

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