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Aretino, der Condottiere der Feder

von Michael Buchmann

Aretino
Aretino

Der Schriftsteller Pietro Aretino war im Italien der Renaissance ebenso berühmt wie gefürchtet. Er zählte viele einflussreiche Politiker zu seinen Freunden, sogar Päpste und Kaiser. Wohl am besten verstand er sich mit dem Condottiere Giovanni dalle Bande Nere, einem Söldnerheerführer, bei dem Aretino Zuflucht suchte, nachdem ein Mordanschlag auf ihn verübt worden war. Giovanni war für seine Tapferkeit und Skrupellosigkeit berühmt und stand meistens im Dienste des Papstes. Machiavelli setzte große Hoffnungen in ihn.

 

Ebenso wie der Condottiere Giovanni, der Geld erhielt um Krieg zu führen oder auch nicht zu führen, verfuhr der Pamphletist Aretino, der sehr hohe Summen dafür bekam, Schmähschriften über die Gegner seiner Geldgeber zu schreiben und zu verbreiten, aber auch dafür, eben keine über seine Geldgeber zu schreiben. So verwundert es nicht, dass man Aretino als „Condottiere der Feder“ bezeichnete. Für den bekannten Historiker Jacob Burckhardt bestanden seine Pamphlete allerdings aus „Lauter Bettelei und gemeine[r] Erpressung“. Ungeachtet aller moralischer Vorbehalte seiner Zeitgenossen und Nachfahren war Aretino mit dem Verfassen von Pamphleten ökonomisch so erfolgreich, dass der Schriftsteller Antonio Doni dieses Vorgehen imitierte und kurzerhand eine eigene Druckerei einrichtete. Aretino bewirkte durch seine Kontakte die Ausweisung Donis.

 

Aretino verfasste nicht nur Pamphlete, sondern auch Belletristisches, wie beispielsweise die Kurtisanengespräche. Liest man diese Gespräche, drängt sich eine Analogie zwischen dem Vorgehen des Condottiere, der Prostituierten und dem des Autoren dieser Gespräche auf: ebenso wie die einen Kriegsdienste oder körperliche Liebe gegen Bezahlung anbieten, bietet Aretino seine Schriftstellerdienste an, der Inhalt ist dabei einzig und allein vom jeweiligen Geldgeber abhängig. Aber das Verhältnis zwischen den Figuren der Kurtisanen einerseits und dem Autoren Aretino andererseits ist dabei natürlich ein ungleiches, was Aretino insofern ausnutzt, als er sich als Autor von seinen Figuren in den höchsten Tönen loben lässt. Dieses Vorgehen reiht sich nahtlos in sein übriges Verhalten als Schriftsteller ein, das er zu einem regelrechten System ausgebaut hatte. Die Mittel zum Ziel der Ruhmsteigerung waren: möglichst viele möglichst einflussreiche Freunde zu gewinnen, vor allem Multiplikatoren wie Politiker und Künstler. Zunächst versuchte er sie so sehr zu loben, bis sie ihn ihrerseits loben mussten. Sein gesamter ausgedehnter Briefwechsel diente nur dem einen Zweck: von möglichst bekannten Persönlichkeiten gelobt zu werden, um dieses Lob dann durch eine spätere Veröffentlichung der Briefe zu verbreiten.

 

Auch wenn er sich durch sein ausgeklügeltes Verfahren tatsächlich viele einflussreiche Freunde und ein Vermögen erschreiben konnte, hatte er nicht nur Freunde. Denn neben seinen ätzenden Pamphleten schafften ihm auch seine anzüglichen Texte Feinde. Es wird vermutet, dass der Mordanschlag auf ihn aus dem Umfeld des Papstes wegen dieser Texte verübt wurde. Nach Aretinos Tod wurden seine Schriften von Papst Paul IV. auf den Index Librorum Prohibitorum gesetzt. Während im Venedig des 16. Jahrhunderts der Buchhandel florierte, man denke nur an den Drucker und Verleger Aldus Manutius, und Venedig als Zentrum des Buchhandels von Eingriffen der Zensur weitgehend verschont blieb, führten in der zweiten Hälfte des Cinquecento unter anderem auch diese Indizes zum Niedergang der Buchkultur. Laut Tankred Dorst lautete die Grabschrift Aretinos so: „Hier ruht der giftige Poet Aretino, der alle verleumdet hat außer Gott. Den, sagt er zu seiner Entschuldigung, kenne ich nicht.“

 

Aretino nutzte seine angebliche ökonomische Abhängigkeit, die sich im Fall der Kurtisanengespräche im Gegensatz zu seiner religiösen Dichtung oder seinen Pamphleten gerade nicht nachweisen lässt, auch zum Kokettieren und um in passenden Momenten die Verantwortung für den Inhalt der Texte auf die vorgeblichen Auftraggeber abzuschieben. So versuchte ihn die bereits zu Lebzeiten berühmte Schriftstellerin Vittoria Colonna wegen seiner frivolen Texte zu tadeln, „[...] weil Ihr ein so gutes Talent in den Dienst anderer Dinge als derjenigen Christi stellt [...]“. Die Antwort Aretinos: „Was ist der Grund dafür? Die Sinnlichkeit der anderen und meine Armut. Wären die Fürsten so fromm wie ich bedürftig bin, dann würde meine Feder nur lauter Miserere niederschreiben.“ 


Literatur

  • Aretino, Pietro: Kurtisanengespräche, Frankfurt am Main 1986.
  • Hösle, Johannes: Pietro Aretinos Werk, Berlin 1969.
  • Machiavelli, Niccolò: Gesammelte Werke in einem Band, Frankfurt am Main 2006.
  • Thiele-Dohrmann, Klaus: Kurtisanenfreund und Fürstenplage. Pietro Aretino und die Kunst der Enthüllung, Düsseldorf/Zürich 1998.

 


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