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Mathias Etenhueber: [Stellt euer Dichten ein, ihr traurigen Poeten! ...]

Quis tibi Mæcenas? quis nunc erit aut Proculeius,

Aut Fabius? quis Cotta iterum? quis Lentulus alter?

 

Stellt euer Dichten ein, ihr traurigen Poeten!

Wir haben Geld und Brod, und keinen Reim vonnöthen:

So klingt es überall, so lärmet Stadt, und Land,

Warum? die Theurung nimmt erstaunlich überhand.

Man fragt itzt nicht nach Witz, man fragt nach Korn und Weitzen,

Die allerbeste Schrift wird keinen Gönner reitzen,

Daß er, als wie er vorhin, gemüntzten Vorschub thut,

Dieß macht die Geister schwach, und hemmt den stärksten Muth.

Die Nahrungs-Röhren sind fast überall verstopfet,

An was vor eine Thür man immer schlägt, und klopfet,

So ist doch alles taub, der Herr ist nicht zu Haus,

Indessen steckt die Noth den Kopf zum Fenster aus.

O ihr nicht aufgeklärt – nein! ausgeleerte Zeiten!

Noth! immer drohend noch sich weiter auszubreiten!

An Worten sind wir reich, an Mitteln bettel arm,

Du schöne goldne Zeit, du Zeit, daß GOtt erbarm!

Nein durch die Redekunst, durch schön und zierlich schreiben

Läßt sich der Durst, läßt sich der Hunger nicht vertreiben;

Was drischt der Federheld denn immer leeres Stroh,

Und zeiget uns den Traum des harten Pharao?

Hat er so viel Verstand, ist seine Kunst so gründlich,

Wohlan! so mach er sich des Volkes Herz verbindlich

Durch wahre Nutzbarkeit, durch einen guten Rath!

Warum denn bläht er sich mit Worten ohne That?

Man will uns mit Gewalt, und was denn? glücklich machen,

Uns glücklich? Freunde helft, helft mir nur dießmal lachen!

Uns glücklich! nennt mir doch den wundervollen Mann,

Der uns zur goldnen Zeit bricht die gelehrte Bahn!

Wo steckt, wo ist er denn? wir wollen uns bequemen,

Die Regeln seiner Kunst, und Lehren anzunehmen.

Wo bist du Frankreichs Law, du Wilkes unsrer Zeit,

Verbessert, wenn ihr könnt, der Erde Sparsamkeit,

Schaft in die Ställe Vieh, füllt ausgeleerte Böden.

Kein Fleisch nicht in der Bänk, kein Brod auf allen Läden!

Ist das die göldne Zeit, von der ihr schwülstig schreibt?

Ist dieses eure Kunst die alle Noth vertreibt?

Ihr Weisen! kommt und laßt der Menschen Hoheit sehen!

Strengt eure Geister an, laßt eure Flaggen wehn!

Ruft alles, was zum Preis der höchsten Würde dient,

Und sprecht dem Schöpfer nach, von dem der Thabor grünt:

Hier rege sich ein Blat! dort wachse mir ein Stengel!

Da lernt ihr Weisen! auch der Adams=Kinder Mängel;

Ihr weckt kein Kleeblat auf; ihr seht kein Gras, noch Laub,

Des Feldes Boden bleibt bey eurer Stimme taub;

Die Erde wüst, und spröd, der Himmel zugeschlossen.

Rühmt doch kein Paradis, aus dem ihr uns verstossen!

Spart eure Worte nur, sie machen keinen satt,

Des Hungers Gegengift ist nicht der Midritat,

Den ihr zu Kaufe trägt mit unerhörtem Prahlen!

Habt ihr den Kern verzehrt, was nützen uns die Schaalen?

Die Land= und Hauswürthschaft steht unvergleichlich schlecht

Die Wahrheit doch gesagt! geschieht es uns nicht recht?

Wir haben uns ja selbst die Ruthe zugeschnitten,

Und därften nicht erst jetzt um fremde Hilfe bitten.

Das allerbeste Land! der allerbeste Herr!

Und überall doch nichts, das fällt dem Volk zu schwer.

O ihr nicht aufgeklärt, nein! ausgeleerte Zeiten!

Wann werdet ihr uns doch auf beßre Wege leiten?

Wann wird es einmahl gut? ach! nach gestohlner Kuh

Verriegelt man den Stall, und macht die Thüre zu.

Was hin ist, das ist hin und wird nicht wieder kommen,

Das Messer läßt man uns, das Brod ist fortgenommen.

Schick dich in dein Geschick du einst gelobtes Land!

Das Murren hilft zu nichts, hebt keinen Jammerstand!

Die Zeit verändert viel, es wird schon besser werden,

Das Maul ist bald gefüllt mit einer handvoll Erden.

     Verlassne Poesie! was klagst, was jammerst du?

Dein Spielen wiegt den Geist der Traurigkeit in Ruh,

Macht wilde Sitten zahm, kan Leichen Blut, und Leben,

Den Helden Ewigkeit, der Tugend Kronen geben:

Hingegen uns dein Volk verläßt du in der Noth,

O welche Mutter gönnt den Kindern nicht das Brod?

Du läßt die Deinigen kein schlechtes Gut erwerben,

Und oft (o armer Ruhm) mit Ehren Hungers sterben.

Verlassne Poesie! wie wird es dir ergehn?

Bey solchen Stürmen mag kein Lorber Ast bestehn.

Was hilft die Götter Kost, womit die Musen laben,

Wenn unsre Finger nichts als welke Rüben schaben?

In Wasser wächst kein Vers, der ewig grünen soll,

Wenn Flaccus spielt und jauchzt, so ist er satt, und voll

Vom Weine, nicht vom Gram. Zerreißt ihr mürben Saiten!

Nun mag ich länger nicht mit so viel Elend streiten.

     Auf einmal aber kommt mir Gott Apollo vor,

Und giebt mir nebst Geduld ein neu geschnittnes Rohr,

Ermahnt mich: Spiele fort, und nimm dir dieß zum Zeichen,

Die Hoffnungwird dich noch zu rechter Zeit erreichen;

Dein Churfürst hört dein Flehn, Er weis, was dir gebricht,

Wann giengst du wohl betrübt von seinem Angesicht,

Er hat dich vorigs Jahr erwärmet, und bedecket.

Nein! seiner Gütigkeit wird nie ein Ziel gestecket,

Er trägt noch wie zuvor den Vater in der Brust,

Er ist des Landes Heil, und seines Volks August.

Da sich der Winterkrieg nun abermahl entspinnet;

Und anders Unheil noch auf dein Verderben sinnet,

So halt dich nur an Ihn. Die Tölzer=Garnison,

Acht Regimenter stark, steht in Bereitschaft schon

Dir kräftig beyzustehn im kältesten Gefechte,

O wenn sie auch mit sich zwo Schäfel Weizen brächte!

Was heute GOtt Apoll mir machte offenbar,

Genädigster! mach es durch die Erfüllung wahr.

 

Euer Churfürstl. Durchl.

 

Unterthänigster gehorsamster

Mathias Etenhueber,

Churfürstl. Hofpoet.

 


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